DOC on AIR - Erste Hilfe im Alltag

Notfallmedizin im Alltag

#54 - Herzrhythmusstörungen

31.05.2025 21 min

Zusammenfassung & Show Notes

Herzrhythmusstörungen können verschiedene Ursachen haben. Bemerkbar machen sie sich durch Herzstolpern oder einen zu langsamen (Bradykardie), zu schnellen (Tachykardie) Puls. Viele dieser Störungen sind nicht unmittelbar gefährlich; das Spektrum, die Diagnostik und die Therapiemöglichkeiten sind aber groß.
Herzrhythmusstörungen sind weit verbreitet. Jährlich werden allein in Deutschland und Österreich ½ Million Menschen wegen Herzrhythmusstörungen in eine Klinik eingeliefert. Je nach Art und Ausprägung der Rhythmusstörung kommen verschiedene Therapieformen infrage: medikamentös-konservativ Behandlungen, Ablationsbehandlungen sowie die Implantation eines Defibrillators oder Herzschrittmachers. Faktum ist, dass wir sowohl das Vorhofflimmern als auch die diversen Begleiterkrankungen behandeln müssen. Wir müssen verhindern, dass die Adipositas, die Hypertonie, die Zucker- und Fettstoffwechsel-Erkrankung natürlich auch jegliche Form von Herzinsuffizienz das Gesamtsystem und speziell das Herz schädigen. Langfristig muss es unser Ziel sein, den Herzrhythmus zu stabilisieren, also wieder in den Sinusrhythmus zu bringen damit die Patienten ihre Lebensqualität erhalten und verbessern können.


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DOC-ON-AIR - Der Podcast für den Umgang mit medizinischen Notfällen im Alltag von Dr. Joachim Huber.

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Transkript

Doc on Air - Der Podcast, der Ihnen hilft, richtig erste Hilfe zu leisten. Was tun, wenn jemand Hilfe schreit? Was tun, wenn zu Hause was passiert? Als erfahrener Notarzt zeige ich Ihnen, wie es geht. Unser Ziel, Wissen statt Angst und Können statt Zweifel. Herzrhythmusstörungen, was tun? Vorweg zur Beruhigung. Der Herzschlag und die Herzgeräusche bestimmen unser Leben schon, während wir als kleine Menschlein im Mutterleib heranwachsen. Das beruhigende Bum-Bum, Bum-Bum, Bum-Bum vom Herzschlag der Mutter ist ebenso prägend, wie wenn die werdende Mutter singt oder sanft spricht. Das Herz ist in unserem Leben ein unglaublich wichtiges und auch für unsere Psyche ein bestimmendes Organ. Wir nehmen uns viele Lebensereignisse zum Herzen. Menschen sterben an gebrochenem Herzen und vieles in unserem Leben wird zur Herzenssache. Aber nicht jedes Herzstolpern ist gefährlich. Kurzfristiges Herzjagen hat oft harmlose Ursachen und geht fast immer rasch vorbei. Bei vielen Erkrankungen sind Herzrhythmusstörungen als Verursacher von Gesundheitsproblemen aber gut bekannt. So zum Beispiel bei Schlaganfällen, Lungenembolie, Herzversagen oder plötzlichen, oft unklaren Herzkreislauf-Todesfällen. Auch bei jungen Leuten, wir hören das immer wieder, von Sportlern, die plötzlich tot umfallen. In diesem Zusammenhang sei es erwähnt, Gott sei Dank haben wir heute überall sogenannte Defibrillatoren. Und wir haben immer mehr Ersthelfer, die wissen, wie man einen Menschen wiederbelebt. Ich selbst habe unmittelbar nach dem Studium, also 1974, im Wiener Allgemeinen Krankenhaus gemeinsam mit den Doktores Gloga, Klitzperer, Leimer, Weber, Zasmeta bei Universitätsprofessor Dr. Fritz Keindl meinen Weg als Kardiologe begonnen. Viele wunderbare Lehrer wie Frau Prof. Dr. Eva Mannheimer, die Herren Prof. Dr. Probst, Prof. Dr. Bachinger und Prof. Dr. Niederberger haben auch mich von Beginn an beim Erkennen und Befunden von Elektrokardiogrammen und Rhythmusstörungen unterstützt. Später habe ich als Internist und Herzspezialist über 50 Jahre kardiologische Erfahrungen sammeln dürfen. Die moderne Diagnose und Therapie von Herzrhythmusstörungen, das waren damals ganz am Anfang noch richtiges Neuland. Aber Neugierde, Geduld und stundenlanges Analysieren, Vergleichen von Langzeit- aber auch gewöhnlichen 12-Kanal-Ableitungen EKGs waren die Basis für moderne Problemlösungen. Das EKG wurde übrigens vor mehr als 120 Jahren von Willem Eindhoven in den Niederlanden entwickelt. Und es ist auch heute immer noch eine der faszinierendsten Diagnosemethoden, die ich in der Kardiologie kenne. Es gab natürlich auch in den 1980er Jahren schon einige medikamentöse Therapieansätze, die wegen der Nebenwirkungen aber heute kaum mehr zur Anwendung kommen. Ich erinnere mich genau, als wir in der Intensivherzüberwachungsstation bei einem Patienten mit Rhythmusstörungen das sogenannte Propaphenom ausprobierten oder zur Anwendung brachten. Die dadurch entstandenen breiten Herzkammerkomplexe machten uns allen eine ordentliche Portion Angst. Aber das Antiarhythmikum war sehr wirksam und wurde auch immer wieder bei verschiedensten Überleitungsproblemen wie zum Beispiel dem WPW-Syndrom erfolgreich angewendet. Heute haben wir zahlreiche für unsere Herzpatienten unverzichtbare Medikamentenklassen, wie zum Beispiel die Beta-Blocker, die SGLT-2-Inhibitoren, die Mineral-Corticoid-Antagonisten, die RAAS-Blocker, also ACE-Hemmer, die Angiotensin-2-Rezeptor-Blocker oder den ARNI, den Amni-Angiotensin-Rezeptor-Neprilisin-Inhibitor, wie zum Beispiel das Entresto. Gegen die meist furchtbaren Folgen der Gefäßverkalkung gibt es heute auch schon zahlreiche wunderbare Medikamente, die allerdings, wie halt viele Medikamente, nicht von jedem gleich gut vertragen werden. Da gilt es, Geduld zu haben und das Medikament zu finden, das hilfreich ist, ohne die Lebensqualität allzu arg zu belasten. Bei Vorhofflimmern, einer der häufigsten Rhythmusstörungen, werden rhythmusstabilisierende Medikamente wie Seda-Coron, das bereits erwähnte Beta-Blocker-Regime, neue orale Anticoagulantien zur Blutverdünnung und natürlich auch verschiedene interventionelle oder chirurgische Techniken zur Behandlung eingesetzt. Gerade bei den Arrhythmin hat sich aber in der medikamentösen Therapie nicht wirklich sehr viel getan. Weltweit wurden bisher leider nur sehr wenige wirklich gut wirksame und auch gut verträgliche Rhythmusmedikamente entwickelt. Die meisten Antiarithmetika werden anhand der elektrophysiologischen Eigenschaften der Wirkstoffe eingeteilt. Diese Einteilung ist immer noch ungenau und auch umstritten, weil sich einige Medikamente nicht eindeutig einer Klasse zuordnen lassen, beziehungsweise weil einige Medikamente mit anderen notwendigen Therapien recht unberechenbare Interaktionen zeigen. Ohne allzu theoretisch zu werden, wir unterscheiden bei den Antiarhythmika Klasse 1, Klasse 2, Klasse 3 und Klasse 4. Antiarhythmika Klasse 1 sind zum Beispiel Kinetin, Ajmalin, Propafenon oder Lidocain. Zur Klasse 2 zählen fast alle Beta-Blocker. Die Klasse 3 sind Kaliumkanalblocker wie Amiodaron, also das Sedacoron, oder Dronedraron. In der Klasse 4 haben wir die Calciumantagolisten und weitere Antiarhytmika sind zum Beispiel das Notfallmedikament Adenosin. Das eine ganz kurzfristige Blockade der elektrischen Leitung zwischen kleiner Kammer und großer Kammer herbeiführt, sodass hier ein autonomer Sinusrhythmus wieder zustande kommt. Ich erwähne auch noch die Herzglucoside, also das Digitalis, die Parasympathicolytica, wie zum Beispiel das Atropin, die Sympathomimetika, wie das Adrenalin, Noradrenalin und last but not least auch das Magnesium, das besonders bei den sehr gefährlichen Torsade-de-point, das sind sehr wandelbare Extraschläge, die quasi um die Nulllinie des EKGs herumtanzen, daher Torsade-de-point und sehr oft zu Kammerflimmern führen, behandelt. Die Klasse 1-Antiarhythmika gab es schon ebenso wie Amiodaron und den Beta-Blocker vor 30 Jahren. Bei den neuen Entwicklungen hat sich leider gezeigt, dass alle Substanzen oft beträchtliche Nebenwirkungen haben, wie zum Beispiel Verschlechterung der Herzschwäche, weitere Rhythmusstörungen und klarerweise ergibt sich dann für den Patienten kein positiver Effekt. Aus Sicht der modernen Rhythmologie ist bei wiederholten Vorhofflimmern heute die elektrophysiologische Katheterdiagnostik und Katheterablation zu nennen. Bei diesem Verfahren werden kleine Bereiche des Herzens, die für die Fehlzündungen ursächlich verantwortlich sind, durch Hitze, Kälte oder durch pulsierende Elektrizität verödet. Dieses Verfahren ist natürlich auch immer mit verschiedenen Risken verbunden, funktioniert aber doch mehrheitlich sehr gut. Wenn jemand nicht dauerhaft darauf anspricht, dann kann dieses Prozedere natürlich auch wiederholt werden. Moderne implantierbare Herzschrittmacher werden seit ca. 1958 eingesetzt. Damals wurde der erste solche Schrittmacher in Stockholm implantiert. Im Jahr 1960 wurde der erste Herzschrittmacher von Wilson Great Page patentiert. Dieser Schrittmacher war noch mit einer Quecksilber-Zink-Batterie betrieben und hatte eine relativ kurze Lebenszeit. Also der Schrittmacher musste alle drei bis fünf Jahre je nach Aktivität gewechselt werden. Natürlich gab es auch schon zu meiner Zeit im AKH, also 1974, erste Schrittmacher. Sie waren am Anfang aber so groß wie Kleiderschränke. Die Patienten hingen an einer riesigen Nabelschnur-ähnlichen Stromleitung und der Pacemaker wurde von Helfern am Gang hinter den Patienten herbewegt Und der berühmte Diplom-Ingenieur Joskovic, ein richtiger Daniel-Düsen-Trieb in der Medizintechnik, eilte immer hinterher und Gott behüte, es gab eine Disconnection und der Patient wurde aufgrund seiner Herzstillstand-Problematik bewusstlos. Flups, hat Joskovic alles wieder zusammengesteckt und der Patient war wieder am Leben. Abenteuerlich. Nun, die ersten wirklich gut verwendbaren Schrittmacher waren aber auch noch sehr groß und sehr schwer und erforderten eine offene Operation. Diese Pacemaker wurden im Bauch in eine Tasche eingesetzt. In weiterer Folge wurden die Schrittmacher immer kleiner und sie sind heute langlebiger und können auch von außen über spezielle Programmiergeräte an das individuelle Bedürfnis der Patienten angepasst werden. Es gibt natürlich verschiedene Arten von Schrittmachern. Einen Schrittmacher, der nur eine Herzkammer, einen Schrittmacher, der zwei Herzkammer, sozusagen, weil sie stimuliert. Es gibt ganz moderne Schrittmacher, die werden als Kapsel-Schrittmacher bezeichnet, weil sie in einer kleinen Kapsel geformt sind und direkt durch einen Katheterzugang, über die Oberschenkelvene bis ins Herz vorgeschoben und dort in der rechten Herzkammer verschraubt werden. Heute versprechen wir den Patienten eine 10 bis 15 Jahre lange Haltbarkeit der Erdschrittmacher. Seit 1990 werden auch ICDs implantiert. ICDs, das sind intrakardiale Defibrillatoren. Besonders dann, wenn wegen einer eingeschränkten Herzpumpfunktion, zum Beispiel nach schweren Herzinfarkten, die Herzpumpleistung unter 35% sinkt, dann profitieren diese Patienten wirklich sehr gut durch diese Absicherung, dass ein allfällig auftretende Herzrhythmusstörung den Patienten nicht umbringt. Dass der ICD das also erkennt und rechtzeitig mit einem kleinen Stromstoß den Rhythmus wiederherstellt. Ohne es sich langweilen zu wollen, erwähne ich nur kurz die aktuellen Leitlinien der internationalen kardiologischen Gesellschaften. Sie empfehlen eine primäre und quasi vorsorgliche ICD-Implantation wirklich nur bei ganz streng geprüften Anzeigen, wie zum Beispiel das Alter, die Komorbidität, also worunter leidet der Patient, der bereits erwähnten Herzpumpleistung und anderen Fakten empfehlen. Bei den Kardiomyopathien ohne dazugehörige Corona-Erkrankung ist die Empfehlung eine relative. Das heißt, man muss das wirklich genau prüfen, kann ein ICD empfehlen, muss aber nicht. Zusammenfassend müssen wir Ärzte unseren Patienten mit Herzerkrankungen rascher erfassen und gezielter behandeln. Dabei müssen wir alle, also allgemeine Mediziner und Fachärzte, besonders darauf achten, dass alle Ressourcen besser genützt werden als bisher. Natürlich braucht es auch ein Umdenken der Sozialversicherungsträger. Wir brauchen nicht nur eine Krankenkasse, sondern wir brauchen eine gute Vorsorgemedizin, besonders in der Primärprävention. Wir müssen ebenfalls dafür sorgen, dass das Thema Herzrhythmusstörungen entstigmatisiert wird. Wir müssen unsere Patienten und ihre Angehörigen besser aufklären, was sie machen sollen und können, damit sie gar nicht erst oder viel später erkranken. Das hat viel mit Motivation zur Verhaltensänderung und mit Eigenverantwortung zu tun. Das war seinerzeit so und wird auch in Zukunft eine wirkliche Herkulesaufgabe. Es ist aber wichtig, dass wir etwas tun, denn die Tatsache, dass man Schlaganfälle nicht einfach mit Antikoagulantien und auch nicht so ganz einfach wegreden kann, wegtherapeutisieren kann, macht unsere Handlungsfähigkeit zur Priorität. Dass das Schlaganfallrisiko erheblich steigt, wenn Menschen älter werden und multimorbid, also mit Zuckerkrankheit, Bluthochdruck, chronische Raucherlunge oder Atherosklerose erkranken. Dieses Schlaganfallrisiko gilt es zu reduzieren. Eines ist klar, auch ohne ein zusätzliches Rhythmusproblem steigt mit diesen abgenannten Risikofaktoren auch das Schlaganfallrisiko. Und hier eine Bitte, schauen Sie sich den Patienten an. Es ist nicht normal, wenn der Opa plötzlich die Tasse fallen lässt. Es ist nicht normal, wenn plötzlich ein Mundwinkel herunterhängt. Es ist nicht normal, wenn die Oma nur kleine Worte mehr findet. Es ist ganz wichtig, schnell zu handeln, die Rettung zu informieren und das Wort Verdacht auf Schlaganfall auch auszusprechen. Eines hat sich bei Vorhofflimmern aber schon gezeigt, dass die Antikoagulation nur dann sinnvoll und erfolgreich ist, wenn es auch erkannt wird. Oft wird aber Vorhofflimmern gar nicht rechtzeitig erkannt, weil trotz eindeutiger, verdächtiger Klinik und geschilderte Beschwerden nicht immer gleich ein Langzeit-EKG oder ein sogenannter Loop-Rekorder angeschlossen wird. Das bedeutet, dass das Vorhofflimmern in einigen Fällen im normalen EKG gar nicht zu sehen ist. Und so gilt also wieder einmal die alte Weisheit. Wer dem Patienten zuhört, erkennt auch rascher die richtige Diagnose. Also lasst uns auf unsere Patienten hören. Lasst uns Teambuilding machen, sodass wir gemeinsam dieser Geißel der Menschen Herr werden. Ich danke für Ihr Zuhören und wünsche einen rhythmischen, wunderschönen Tag. Music.