#43 - Neurodermitis
28.12.2024 19 min
Zusammenfassung & Show Notes
In dieser Episode von "Doc on Air" beleuchte ich die Neurodermitis, ein oft missverstandenes atopisches Ekzem, das vor allem Kinder betrifft. Ich kläre über häufige Missverständnisse auf, insbesondere über die Ursachen der Erkrankung und die damit einhergehende Stigmatisierung. Zudem erläutere ich die demografischen Daten, mögliche genetische Faktoren und die komplexen, multifaktoriellen Ursachen. Ich gehe auf Triggerfaktoren ein und betone die Wichtigkeit der Dokumentation individueller Auslöser. Die Behandlung gliedert sich in die Wiederherstellung der Hautbarriere, Vermeidung von Provokationen und medikamentöse Therapien, wobei ich die Rolle von topischen Corticosteroiden erkläre. Abschließend appelliere ich an die Zuhörer, evidenzbasierte Behandlungsmethoden zu nutzen, um ein weitestgehend beschwerdefreies Leben zu führen.
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DOC-ON-AIR - Der Podcast für den Umgang mit medizinischen Notfällen im Alltag von Dr. Joachim Huber.
Weitere Informationen auf doc-on-air.com
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Das Gesicht zur Stimme unter www.drjoachimhuber.at
Bei Fragen oder Hinweisen zur aktuellen Folge schreibt mir gerne ein Email unter podcast@doc-on-air-com
#notfallmedizin #ersthilfe #teambuilding #alleswirdgut
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Transkript
Music.
Doc on Air, der Podcast, der Ihnen hilft, richtig erste Hilfe zu leisten.
Was tun, wenn jemand Hilfe schreit? Was tun, wenn zu Hause was passiert?
Als erfahrener Notarzt zeige ich Ihnen, wie es geht.
Unser Ziel, Wissen statt Angst und Können statt Zweifel.
Ein herzliches Willkommen und Grüß Gott, sehr geehrte Zuhörerinnen, liebe Damen und Herren.
Heute erzähle ich Ihnen ein bisschen etwas über die Neurodermitis, das atopische Ekzem.
Das ist eine chronische, immer wieder auftretende Krankheit,
die aber nicht ansteckend ist und gehört natürlich zu dem Bereich der Hautkrankheiten.
Nun, wenn man nun mal überlegt, wie viele Menschen haben denn so eine atopische Dermatitis,
dann kann man sagen 10 bis 15 Prozent im Kindesalter und 2 bis 5 Prozent im Erwachsenenalter.
Also Sie sehen schon, die Kinder trifft es besonders oft und damit sind natürlich
die Eltern extrem gefordert.
Weil Eltern suchen ja immer zuerst den Fehler bei sich. Habe ich ein falsches Spülmittel genommen?
Hätte ich vielleicht den Weichspüler nicht nehmen sollen?
Vielleicht habe ich doch bei der Ernährung einen Fehler gemacht?
Vielleicht war mein Kind zu lange im Wind oder ist zu viel Staub oder vielleicht
hätte man doch nicht mit Holz den Kachelofen heizen wollen.
Glauben Sie mir, in meiner jahrzehntelangen Praxis als Notarzt habe ich immer
wieder ganz, ganz traurige Geschichten gehört.
Und es war mir eine große und ist mir immer noch ein großes Bemühen,
den Menschen klarzumachen, sie sind nicht schuld. Das ist eine Krankheit,
die man Gott sei Dank zum Teil sehr gut behandeln kann.
Da sprechen wir aber noch genauer darüber.
Bei ca. 70% aller Betroffenen kommt es Gott sei Dank bis zum 20.
Lebensjahr zu einer spontanen Besserung und sehr oft auch zu einer vollständigen Abheilung.
Woher diese Narodermitis kommt, ist noch nicht vollständig geklärt und es ist
Gegenstand intensiver Forschungen.
Bislang geht man von einem multifaktoriellen Prozess aus.
Als mögliche Auslöser für dieses Krankheitsbild werden diskutiert eine Dysregulation,
also eine Fehlregulation des Immunsystems Haut.
Die Haut ist ja eine unserer wichtigsten Schutzbarrieren gegen alle äußeren Einflüsse.
Als zweites denkt man, ob hier irgendeine Störung im neurovegetativen System,
also in dem berühmten Alarm-Ruhenerv-Wechselspiel sein könnte.
Natürlich könnten es auch Anomalien der epidermalen Barriere sein,
indem also einfach Strukturproteine einer Mutation unterliegen.
Das klingt schon wieder sehr kompliziert und ich will sie damit gar nicht weiter belästigen.
Entscheidend ist, dass man seit ungefähr 2023 zeigen konnte,
dass die natürliche Barrierefunktion der Haut bei der Narodermitis gestört ist.
Es konnten dort selbst auch Gendefekte identifiziert werden.
Diese Gendefekte führen dazu, dass wichtige Strukturproteine der Haut fehlen.
Auch da gehe ich jetzt nicht ins Detail und will sie nicht mit den Mutationen
in den einzelnen, speziell im Filagrin-Gen belästigen.
Entscheidend ist, dass im Rahmen dieser Veränderungen die Struktur der Haut auch so verändert wird,
dass sie quasi Erreger, aber auch reizende Substanzen in empfindliche Ebenen eindringen lässt.
Man diskutiert auch, dass die
Naropeptide eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Narodermitis sind.
Letztlich führt so ein chronisches Krankheitsbild immer zu beträchtlichen psychischen
Belastungen und der daraus resultierende Stress wird natürlich die Intensität
der Krankheit durchaus fördern und steigern.
Ein gewisser erblicher Einfluss ist ebenfalls vorhanden.
Das heißt, eine Narodermitis wird wahrscheinlich doch polygen vererbt.
Das bedeutet, auch hier kann man natürlich davon ausgehen, dass hier eine gewisse
familiäre Häufung gar nicht so selten ist.
Die Triggerfaktoren für dieses Krankheitsbild sind mannigfaltiglich.
Natürlich können das auch bestimmte Textilien sein aus ganz bestimmter Wolle
oder bestimmten synthetischen Fasern.
Natürlich kann das auch ein längerer und wiederholter Kontakt zu Wasser sein.
Und wenn das Badewasser sozusagen der Weise dann irgendwelche furchtbar gut
riechenden Zusätze hat, mag das schon sehr kontraproduktiv sein.
Manche Patienten schwärmen davon, dass sie im Schwarzen Meer,
im hochkonzentrierten Salzwasser, gute Besserung erleben.
Andere gehen nur einmal in ein Chlorbad, irgendein öffentliches Schwimmbad und
haben massive Rückfälle oder Steigerungen ihrer Hautprobleme.
Bestimmte Kontakte zu Umweltallergenen, Tierhaare, Pollen etc.
Spielen mit Sicherheit ebenfalls eine Rolle. Bestimmte Inhaltsstoffe in Nahrungsmitteln, z.B.
In der Milch oder in Zitrusfrüchten und last but not least auch bestimmte Schweißabsonderungen
können diese Neurodermitis sozusagen der Weise vorantreiben.
Das ist ganz gut, wenn man sich das alles ein bisschen ins Gedächtnis ruft,
weil man damit natürlich ganz genau aufschreiben kann, worauf reagiert mein
Kind, mein Patient ganz speziell.
Und diese Unterlagen sind sehr hilfreich, letztlich auch bei der Behandlung
durch die Fachärzte für Hauterkrankungen.
Das klinische Bild ist eigentlich ein ganz banal beginnendes, mit Juckreiz,
mit dann wieder völlig problemlose Beschwerdefreiheit,
dann plötzlich wieder eine Verschlechterung und last but not least natürlich
auch beträchtliche Hautveränderungen,
sondern insbesondere ein Milchschorf auf den behaarten Kopfhaut und anderen Hautarealen.
Das sind meist die ersten Zeichen für eine Neurodermitis.
Typischerweise sind das Gesicht, der Körperstamm und die Streckseiten der Extremitäten
befallen, also der Arme und der Beine.
Die Haut ist sehr trocken, gerötet und fein schuppend. Teilweise durch den Juckreiz
natürlich auch aufgekratzt und dann auch nästelnd.
Die Windelregion ist meistens ausgespart.
Ältere Kinder und Erwachsene haben oft den bevorzugten Befall der Beugeseiten
der vier Extremitäten, also der Arme und der Beine,
also im Ellenbogen, im Kniekehlenbereich, aber auch im Bereich von Hals und Gesicht.
Ein sogenanntes Lid-Ekzem, wo also die Augenlider betroffen sind,
ebenfalls mit so einem juckenden, beißenden, schuppigen Ausschlag, sind typisch.
Der Juckreiz kann ausgesprochen quälen sein, was bei Kindern eben oft zum Aufkratzen
der betroffenen Hautstelle führt.
Dass dann Komplikationen auftreten können wie sekundäre Infektionen,
das ist ja wohl ganz selbstverständlich.
Keinesfalls sollten Sie aber auf die Idee kommen, mit irgendwelchen Desinfektionsmitteln
diese Wunden zu behandeln.
Das machen Sie nur in Absprache mit dem Hautarzt.
Verschiedene Patienten haben
auch noch andere Veränderungen im Bereich zum Beispiel der Unterlider.
Die Kratzerartefakte sind mit ihren Verkrustungen und mit ihrer offenen Haut typisch.
Nach der Abheilung kann es zu Pigmentverschiebungen und was bei Mädchen und
Knaben gleichermaßen sehr unangenehm ist, auch zu Narbenbildungen kommen.
Wenn wir nun die Schweregrade nehmen, dann müssen wir uns darüber im Klaren
sein, dass das, was die Wissenschaft an objektiver Schwerebeurteilung sozusagen nennt,
nicht mit der subjektiv empfundenen Schwere der Patienten und auch der Angehörigen parallel läuft.
Das heißt, objektiv ist sehr oft auch eine kleine Hautveränderung für den Patienten
so unangenehm, dass er das als eine schwere Erkrankung empfindet.
Vor allen Dingen dann, wenn Komplikationen auftreten,
wenn also diese empfindliche und rissige Haut mit einem sozusagenderweise zusätzlichen
Infekt, sehr oft sind das Staphylococen, plötzlich wirklich krank wird.
Besonders an den aufgekratzten Hautstellen besteht sozusagen der Weise immer
die Gefahr einer Superinfektion.
Was können wir nun tun? Wir können auf jeden Fall natürlich Vorsicht walten lassen.
Das heißt, wenn Sie eine Fieberblase haben,
dann sollten Sie sich wirklich von einem Kind mit einer entsprechenden Hautveränderung
fernhalten, weil wenn sich in diese nunmehr nicht mehr dichte,
fehlende Barriere in der Haut Herpesviren einnisten,
dann führt das zu einem sehr, sehr unangenehmen und auch gefährlichen Exzema Herpetikatum.
Das heißt, eine wirklich böse, flächenhafte Infektion der Haut.
Klarerweise gibt es neben den verschiedenen Salben auch psychosomatische Unterstützung.
Das heißt, die Patienten brauchen nicht nur liebevolle Zuwendung,
Aufklärung und auch ein entsprechendes Training.
Wie kann ich mir selber in der Nacht helfen,
wenn so eine Juckattacke plötzlich mich zum Kratzen zwingt, Wie komme ich mit
dem Schlafdefizit, den Konzentrationsstörungen, auch den Verstimmungen zurecht?
Menschen mit so chronischen Krankheiten werden sehr oft antriebslos depressiv
und da ist dann sehr schnell auch immer wieder ein Antidepressivum am Tapet
und das ist ein Teufelskreis,
wo wir heute mit unserer Erfahrung sagen können, bitte da wirklich zuerst zum Hautarzt gehen,
dann immer den Allgemeinmediziner fragen und nur in ganz, ganz Ausnahmsfällen
Kindern mit Antidepressiva versorgen.
Die Diagnostik ist eigentlich eine ganz simple.
Die Eltern berichten, die Eltern fotografieren die Haut, Der Hautarzt macht
sich ein eigenes Bild und damit ist die Geschichte meistens so eingegrenzt, dass man weiß,
da ist schon auch eine Änderung.
Ein Hinweis für eine Neurodermitis. Selbstverständlich, wenn die Familienanamnese
positiv ist, weil also hier schon in den vorangegangenen Generationen so etwas geschildert wurde,
dann braucht man also auch nicht mehr so lange suchen.
Klar wird auch immer ein Gesamtlabor gemacht, um weitere Verschärfungen zum
Beispiel durch irgendwelche Stoffwechselstörungen auszuschließen.
Die Therapie der Narodermitis beruht auf drei Säulen.
Die Basistherapie zur Wiederherstellung der Hautschutzbarriere durch Harnstoff-
oder Glycerin-haltige Cremen.
Zweitens, vermeiden von Provokationsfaktoren, also keine Wolle,
Handschuhe, beim Umgang mit Reinigungsmitteln, Wasser etc.
Äußerste Vorsicht walten lassen.
Nichts angreifen, wo man also nicht davon ausgehen kann, dass es absolut hautneutral ist.
Und last but not least, die entzündliche, tropische und systemische Therapie.
Ich habe das schon einmal in einem Vortrag. Als Schmieren und Salben hilft allen Teilen.
In dem Fall ist es tatsächlich so. Natürlich kommen hier auch Kortison-Therapien
und Calcinerin-Inhibitoren zur Anwendung.
Und da bitte ich Sie, meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer,
diese mir immer noch unbegreifliche Sorge, ein bisschen Kortison könnte zum
Verderben führen, einfach abzulegen.
Die Dosierung dieser Kortisonsalben ist derartig minimal, dass Sie nie Angst haben müssen,
hier eine systemische, also den ganzen Körper betreffende Kortisonintoxikation zu erleiden.
Klarerweise, wenn hier irgendwelche Superinfektionen sind, dann gehören natürlich
auch entsprechende Antibiotika zur Anwendung gebracht.
Keine Diskussion. Sollten Sie nun eine entsprechende Kurzzeittherapie mit systemischen,
also zu schluckenden Cortisonmitteln haben,
dann macht das auch immer wieder unter der Kontrolle des Facharztes einen Sinn.
Es gibt natürlich schon auch moderne Therapien, wo man zum Beispiel den Juckreiz
mit einer entsprechenden UV-Therapie,
also mit einer Strahlentherapie, aber auch mit einer Photosoletherapie machen kann,
wo also in einem salzhaltigen Wannebad mit einer synchronen oder asynchronen
Lichttherapie kombiniert Hilfe geboten wird.
Dass die Alternativmedizin sich auf dieses sehr, sehr unangenehme Krankheitsbild
setzt und uns versucht hier einzureden,
dass mit Bioresonanz, mit Homöopathie, aber auch mit anderen,
ich sage es so wie ich es mir denke, Hokus Pokus, eine signifikante Besserung erzielt werden kann.
Ja, es ist verständlich, aber bleiben Sie hier bei diesem Krankheitsbild, bei der Schulmedizin.
Lassen Sie sich nicht irgendwelche Vitaminen oder sonstigen Spezialitäten einreden.
Lassen Sie sich nicht mit irgendwelchen Ölen und Schmiragen ein Salben im wahrsten Sinne.
Denn in wissenschaftlichen Studien war das alles im Placebo-Vergleich immer
wieder ohne Beeinflussung der eigentlichen Krankheit.
Also nehmen Sie das Ganze bitte ernst, nehmen Sie Hilfe an und glauben Sie mir,
Auch die Neurodermitis kann man sehr gut behandeln und mit dem entsprechenden
Support wird es nicht mehr zu dem Schreckensbild werden,
das es vielleicht früher noch war.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine gesunde Haut. Danke.
Music.