DOC on AIR - Erste Hilfe im Alltag

Notfallmedizin im Alltag

#38 - Demenz - Die Krankheit des Vergessens

19.10.2024 30 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Episode von "Doc on Air" widme ich mich einem Thema, das viele betrifft und oft zu wenig Beachtung findet: Demenz, insbesondere Alzheimer. Es ist alarmierend, dass die Zahl der Demenzkranken weltweit stetig zunimmt. Während 2010 noch etwa 36 Millionen Betroffene prognostiziert wurden, erwarten Experten bis 2030 über 120 Millionen Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Dieser Anstieg ist nicht nur auf die Alterung der Bevölkerung zurückzuführen, sondern auch auf eine zunehmende Sensibilisierung für die Krankheit. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie sind entscheidend, um die enormen Behandlungskosten, die 2010 weltweit bei etwa 600 Milliarden Dollar lagen, zu senken. Ich beginne mit der historischen Entwicklung der Alzheimer-Krankheit, die ihren Ursprung im frühen 20. Jahrhundert hat. Es war Alois Alzheimer, der 1901 die erste Patientin mit charakteristischen Symptomen beurteilte. Zunächst wurde die Erkrankung nicht einmal als Altersdemenz erkannt, was eine lange und schwierige Reise in der Forschung zur Folge hatte. Heute wissen wir, dass Alzheimer eine der häufigsten Formen von Demenz ist, aber auch, dass es zahlreiche andere Formen und Ursachen gibt, die nicht mehr ignoriert werden können. Im weiteren Verlauf der Episode erkläre ich die kognitiven und emotionalen Defizite, die mit Demenz einhergehen, sowie die biologischen Mechanismen, die dazu führen. Es ist bemerkenswert, dass Forscher über die Jahre wesentliche Fortschritte gemacht haben, auch wenn es noch viele offenen Fragen gibt. 1980 wurden die ersten Medikamente zur Symptomlinderung entwickelt, doch die gewünschten Erfolge blieben oft aus. Der Mangel an effektiven Behandlungsmöglichkeiten verdeutlicht, wie wichtig Prävention und Früherkennung sind. Die identifizierten Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, Rauchen und eine ungesunde Ernährung spielen eine zentrale Rolle im Krankheitsverlauf. Ich erläutere auch die Bedeutung sozialer Interaktion und aktiver Teilhabe am Leben. Menschen, die sich zurückziehen oder keine geistigen und körperlichen Herausforderungen annehmen, haben ein erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken. Präventive Maßnahmen wie geeignete Ernährung, regelmäßige Bewegung und soziale Aktivität sind demnach essenziell. Das Ziel ist es, die Lebensqualität und die Selbstständigkeit der betroffenen Personen möglichst lange zu erhalten. In der letzten Phase der Episode widme ich mich den bestehenden Therapieansätzen, sowohl medikamentösen als auch nicht-medikamentösen. Ich bespreche, wie wichtig eine individuelle Betreuung zu Hause ist und dass die Unterstützung durch Angehörige und Fachkräfte entscheidend für die Lebensqualität der Erkrankten ist. Es ist unerlässlich, dass wir uns als Gesellschaft mit den Herausforderungen der Demenz auseinandersetzen und Maßnahmen ergreifen, um die Lebensbedingungen der Betroffenen zu verbessern. Abschließend weise ich auf wichtige Ressourcen und Unterstützungsangebote hin, die jedem zur Verfügung stehen, um besser mit dieser komplexen Erkrankung umzugehen.

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Die kostenlose NÖ Demenz-Hotline, erreichbar unter 0800 700 300 (Mo. -Fr. 8-16 Uhr), informiert niederösterreichweit über Anlaufstellen zu Diagnose, Behandlung, Unterstützungs- sowie Entlastungsangebote, zudem können Betroffene und Angehörige über die Hotline Kontakt zu Demenz-Expertinnen und Demenz-Experten aufnehmen.
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Nicht vergessen: Am 21. September ist Welt-Alzheimertag

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DOC-ON-AIR - Der Podcast für den Umgang mit medizinischen Notfällen im Alltag von Dr. Joachim Huber.

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#notfallmedizin #ersthilfe #teambuilding #alleswirdgut

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Transkript

Music. Doc on Air, der Podcast, der Ihnen hilft, richtig erste Hilfe zu leisten. Was tun, wenn jemand Hilfe schreit? Was tun, wenn zu Hause was passiert? Als erfahrener Notarzt zeige ich Ihnen, wie es geht. Unser Ziel, Wissen statt Angst und Können statt Zweifel. Grüß Gott, meine sehr geehrten Damen und Herren. Herzlich Willkommen bei einer neuen Folge meines Podcasts. Heute erzähle ich Ihnen etwas über die Demenz, die Krankheit des Vergessens. Wurden bis 2010 ca. 36 Millionen Demenzkranke weltweit prognostiziert, hat sich diese Zahl alle 20 Jahre verdoppelt. Wir rechnen damit, dass wir in den nächsten Jahren ungefähr 120 Millionen Demenzkranke haben. Der Anstieg ist nicht nur dem demografischen Wandel geschuldet, sondern auch der erhöhten Aufmerksamkeit. Gott sei Dank. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, eine Alzheimer-Diagnose frühzeitig, also noch behandelbar zu erkennen, deutlich verbessert. Wenn man über die Kosten spricht, dann muss man also auch auf ältere Zahlen zurückgreifen. 2010 haben die Demenzerkrankungen weltweit ungefähr 600 Milliarden Dollar Kosten verursacht. Laut Schätzung des Welt-Alzheimer-Berichtes von 2010 werden die Kosten bis 2030 noch um weitere 90 Prozent ansteigen. Eine Senkung dieser Kosten ist nur mit einer frühzeitigen Diagnose und Therapie möglich. Das bedeutet, dass nach 106 Jahren die alzheimische Krankheit von einem Randphänomen zu einem gesellschaftlich ernsten, zentralen Problem geworden ist. Die Geschichte der Alzheimer-Krankheit ist über 100 Jahre alt. Sie beginnt 1901 mit der Einlieferung einer Auguste-Däter in die, so hat man das damals genannt, Anstalt für Irre und Epileptische in Frankfurt am Main. Die Patientin litt unter Vergesslichkeit und auch gelegentlich unter Wahnvorstellungen. Das Gesprächsprotokoll, das der zuständige Psychiater darauf anfertigt, schrieb Wissenschaftsgeschichte. Er markierte den Forschungsbeginn einer Krankheit, die unter dem Namen des Psychiaters in die Medizin einging. Alois Alzheimer, der Nervenarzt mit dem Mikroskop. Schnell kam diesem Arzt der Gedanke, dass es sich bei der Patientin nicht um eine Altersdemenz handeln konnte Dafür war sie mit 51 Jahren einfach zu jung Die vorläufige Arbeitsdiagnose wurde daher präseniles Irrsein benannt. Der Begriff Demenz beschreibt ein Syndrom, ein Zusammentreffen mehrerer Symptome. Dazu gehören natürlich auch Defizite in emotionalen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten. Die Ursache dieser Symptome liegen zu Lebzeiten von Auguste Täter noch völlig im Dunkeln. Nur ihre Auswirkungen werden dokumentiert und festgehalten. Bei der später nach Alzheimer benannten Demenz sind es zunächst Störungen des Kurzzeitgedächtnisses. Im Laufe der Zeit bemerkte er, dass auch die langfristigen Gedächtnisinhalte, also das Langzeitgedächtnis der Betroffenen, immer weniger funktionierte. Letztlich verloren sie alle Fähigkeiten, selbstständig dem Alltag gewachsen zu sein. Als Alzheimer 1903 nach München in die Universität wechselt, gibt es noch keine Klassifizierung psychischer Störungen. Auch ist die organische Ursächlichkeit geistiger Krankheiten noch längst nicht allgemein akzeptiert. Von 1903 bis 1906 bleibt Auguste Teter in der Frankfurter Anstalt. Doch Alzheimer verfolgt aus der Ferne ihren Zustand, der sich zunehmend verschlechtert. 1906 stirbt sie, wie notiert wurde, völlig verblödet. Als Alzheimer das Gehirn der Patientin im Mikroskop untersucht, findet er zugrunde gegangenen Nervenzellen mit Bündeln faseriger Strukturen, die Neurofibrillen, sowie Ablagerungen außerhalb der Zellen, sogenannte senile Plaques. Für Alzheimer bestätigt das seine Theorie, wonach Geisteskrankheiten durchaus auch organische Ursachen haben müssen. 1907 veröffentlicht er eine Abhandlung über eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde. Doch erst später setzt sich die Meinung durch, bei Däthe habe es sich um eine neue Art von Krankheit gehandelt. 1910 führt das Lehrbuch der Psychiatrie diese Form zum ersten Mal unter dem Namen Alzheimer'sche Erkrankung. Heute weiß man, dass es mehrere Typen von Demenzerkrankungen gibt und dass vielfältige Ursachen dafür verantwortlich sind. Ich will Ihnen jetzt nicht die einzelnen Demenzformen aufzählen, das schadet nur Ihrer Belastbarkeit. Eines ist aber schon ganz wichtig, dass eigentlich bis 1970 die Mechanismen ungeklärt waren. Aber es hat sich schon herauskristallisiert, dass die Alzheimerkrankheit altersabhängig zunimmt. Also sie ist keineswegs eine seltene Erkrankung jüngerer Patienten, wie noch Alois Alzheimer selbst geglaubt hatte. Irgendwann kommen Befürchtungen auf, dass der demografische Wandel immer mehr ältere, immer weniger junge Menschen zu einer Explosion der Patientenzahlen führen könnte. So bringen die USA schon 1974 eine nationale Institution für Alterung aufs Tapet. Diese NIA kümmert sich in Zukunft um diese Krankheitsbilder. 1976 identifiziert Robert Katzmann, ein Pionier der Alzheimer-Forschung, die Alzheimer-Erkrankung als die mit 60% der Demenzen am weitesten verbreitete Erkrankung überhaupt. 1980 wird in den USA die erste Alzheimer-Gesellschaft der Welt begründet. 1984 veröffentlichen Forscher der University of California Ergebnisse, wonach ein bestimmtes Peptid, das Beta-Amyloid, Hauptbestandteil der vorher beschriebenen Plaques ist. Also wurde der erste Hauptverdächtige für die Auflösung des Nervenzellschadens gefunden. Drei Jahre später zeigen Konrad Bayreuther und seine Mitarbeiter an der Universität Köln, dass dieses Beta-Amyloid-Peptid durch Spaltung aus einem größeren Vorläuferprotein entsteht. Die Rolle dieses Vorläuferproteins ist bis heute noch nicht vollständig geklärt. Man nimmt an, dass es an der Aktivität der Synapsen beteiligt ist und für das Überleben von Neuronen wichtig ist. Inwieweit diese Synapsen dann dadurch verklumpen, dass dieses Peptid eine fehlerhafte Struktur hat, ist noch nicht bewiesen. 1986 kommen weitere Grundlagenforschungsergebnisse auf den Markt. Man sieht sehr genau, dass bei bestimmten Zell-Skelett-Proteinen den Mikrotubuli ein bestimmtes Protein namens Tau fehlt. Ein zweiter Hauptverdächtiger ist gefunden. Ob das nun wirklich ursächlich für die Demenz entscheidend ist, da streiten sich die Wissenschaftler bis heute. Faktum ist, dass die Mikrotubuli verklumpt mit den sozusagen der Weise Nerveninstabilitäten in Verbindung gebracht werden. 1987 kam dann ein bisschen Licht ins Dunkel. Man hat die ersten Medikamente gegen Alzheimer-Symptome angeboten. Tacrin beruht auf der Modulation eines Neurotransmitters Acetylcholin und seines Rezeptors. Das entscheidende Problem aber war, dass die Wirksamkeit dieser Therapie leider als gering bezeichnet werden muss. 1989 bekommt die Krankheit ein neues Gesicht, als sich Roland Reagan, der Präsident der Vereinigten Staaten, mit seiner Diagnose von der Öffentlichkeit verabschiedet. Er hat sich also geoutet. Österreich und Deutschland hinkten der Entwicklung und bei der Forschung hinterher. Es gibt zwar bis Ende des Jahrhunderts Forschungsförderungen, aber keine nationale Strategie. 1979 begründen Pflegekräfte in Wien die Alzheimer Disease Society. 1987 wird die österreichische Alzheimer-Gesellschaft, die ÖAG, in Wien gegründet. 1995 kommt letztlich die Alzheimer-Forschung deutlich auch in Deutschland in Gang, indem eine großartige Stiftung von der Hans- und Ilse Breuer Stiftung begründet wird. 2009 wird das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen mit Hauptsitz in Bonn begründet. Im selben Jahr gilt die Alzheimer Disease als international akzeptierte Krankheit mit einem düsteren Bild. Wenn man nun von den diagnostischen Möglichkeiten her auf die Krankheit schaut, dann haben verschiedene Forscher doch Positives zu vermelden. Ein bildgebendes Verfahren von Magnetresonanztomographie, Positronenemissionstomographie bringt unglaublich viel. Es gibt also Möglichkeiten, abgelagertes Amyloid mit diesem Verfahren sichtbar zu machen. Die Darstellung von Tauablagerungen wird noch entwickelt. Das große Problem bei dieser Krankheit ist, dass eine ursächliche Behandlung, also eine definitive, gezielte Behandlung, so wie wir sie von Antibiotika bei verschiedenen Entzündungen kennen, bis heute nicht da ist. So multifaktoriell wie die Krankheit ist, so multifaktoriell muss auch die Therapie sein. Und natürlich, das sagen auch alle großen Kliniker, muss eine gute Prävention im Vordergrund stehen. Sehr wichtig ist es, das Gehirn anzuregen. Nicht mit stupiden Gehirnjoggen, sondern mit den Dingen, was den Menschen auch erfreut und was auch tatsächlich annimmt. Bei bereits bestehender Demenz können Antidementiva helfen, Medikamente, die die geistige Leistungsfähigkeit und jetzt kommt wieder die Einschränkung etwas verbessern. Was aber wirklich deutlich verbessert werden muss, ist die Behandlung von Begleiterkrankungen. Mit neuen Wirkstoffen wird heute versucht, die Alzheimer-Ablagerungen ganz zu verhindern. Es funktioniert nur leider nicht bei Menschen, sondern nur bei verschiedenen Tierversuchen. Was entscheidend ist, sind, dass wichtige Risikofaktoren heute eindeutig identifiziert sind. Bereits im September 2022 erklärte Demenzforscherin Elisabeth Stöckmann von der MedUni Wien, bis zu 40 Prozent der Fälle können durch ein Vermeiden von zwölf Risikofaktoren verhindert werden. Dazu gehören, wir brauchen einen guten Zugang zu Bildung. Wir müssen das Ausmaß der Luftverschmutzung sowie individuelle Risikofaktoren, besonders den Bewegungsmangel, das Rauchen, das Übergewicht und die Blutdruckfehlregulationen rechtzeitig erkennen und behandeln. Es ist ganz eindeutig bewiesen, dass ältere Erwachsene, die sich sportlich vernünftig betätigen, ich spreche nicht von Extremsport, Der hat genauso negative Eigenschaften wie kein Sport zu machen. Aber die Menschen, die sich vernünftig sportlich betätigen, erhalten ihre kognitive Fähigkeiten mit größerer Wahrscheinlichkeit als die, die gar nichts tun. Ebenso die geistige Aktivität. Menschen, die frühzeitig im wahrsten Sinne des Wortes in Pension gehen, sich von allen Herausforderungen, von allen positiven, aber auch negativen Belastungen, Eustress, Distress verabschieden und nur noch im Stresslessessel herumkugeln, haben ein hohes Risiko, an einer entsprechenden Demenz zu erkranken. können. Klarerweise, das beweisen auch viele, viele einzelne Fallberichte und Studien weltweit, gibt es ein erhöhtes Demenzrisiko in Verbindung mit vaskulären und metabolischen Risikofaktoren. Auch ein chronisches Übergewicht und eine Fettstoffwechselstörung spielen eine ganz wesentliche negative Rolle. Erstaunlich sind neueste Studien, die zeigen, dass auch ein schlechteingestellter Visus, also ein Sehkraftverlust, ebenso wie eine nicht behandelte Schwerhörigkeit, den Demenzablauf beschleunigen können. Dass die mediterrane Ernährung, weniger Fleisch- und Milchprodukte, viel Obst, Gemüse und Fisch, gescheit ist, weil die maskulären Risiken sich damit minimieren. Das ist ja schon fast der alte Hut. Nicht zu rauchen, Sport zu betreiben, mäßig Alkohol zu trinken, Lebensfreude zu haben, ist nicht nur eine Gesundheitsfrage, sondern natürlich auch eine Frage der Risikosumation. Die Lebenserwartung wird damit auf jeden Fall mit guter Lebensqualität verknüpft steigen. Alle mir bekannten Forscher melden, es ist seit einiger Zeit bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und Demenz gibt. Das bedeutet, hinschauen, Menschen nicht vereinsamen lassen. Durch den Wegfall der Großfamilien, wo die sogenannten Alten immer noch ihre Aufgaben hatten und sich um die Enkel gekümmert haben, gekocht haben, den Tagesablauf optimiert haben, während die Jungen die sogenannten Arbeiten gingen. Dieser Wegfall der Großfamilie bedeutet für viele ältere Menschen besonders dann, wenn sie vereinsamt sind durch Wegfall ihres Wegsterbens, ihres Lebenspartners, eine sehr hohe Risikogruppe darstellen. Nun noch ein Wort zur Therapie. In der Behandlung der Demenzerkrankung spielen wie bei allen anderen Erkrankungen Medikamente eine wichtige Rolle. Sie werden einerseits zur Stabilisierung der geistigen Leistungsfähigkeit, andererseits aber auch zur Milderung von psychischen und verhaltensbezogenen Symptomen eingesetzt. Die Abnahme der geistigen Fähigkeiten gegenüber dem frühen Niveau und die dadurch eingeschränkte Bewältigung von Alltagstätigkeiten mit Selbstständigkeitsverlusten sind ja Hauptmerkmale bei der Demenz. Wir brauchen also einen Therapieansatz, der die Veränderungen der zwei Überträgerstoffe im Gehirn verbessert. Einerseits besteht der Mangel an Acetylcholin, andererseits ein Überschuss von Glutamat. Und diese Veränderungen kann man mit Medikamenten doch teilweise sehr gut beeinflussen. Bei leichtgradiger und mittelschwerer Demenz sind Medikamente zugelassen, die den Abbau des Überträgerstoffes Acetylcholin verhindern. Die sogenannten Cholinesterase-Ämer, um einige Namen zu nennen, Donepezil, Galatamin, Rivastamin, das sind die wirksamen Medikamente. Auch die Fähigkeit zur Ausführung von Alltagsbetätigungen nimmt unter der Behandlung aber weniger rasch ab als ohne Therapie. Das heißt, Medikamente haben hier doch einen sehr positiven Side-Effekt. Sie können natürlich die Krankheit nicht beheben. Wenn wir nur von leichtgradig mittelschwere Demenz sprechen, dann muss uns klar sein, dass hier mehrere Messtechniken angebracht sind. Der MMSE-Test ist einer davon. Da werden die Patienten mit bestimmten Fragen konfrontiert, müssen bestimmte Dinge zeichnen, müssen etwas schreiben und einige kleine Wortkombinationen sich merken. Das ist natürlich nur ein Mosaiksteinchen in der Diagnostik. Also die Diagnostik der Demenz ist auch nichts, das man nur an einem kleinen Paper-Pencil-Test festhalten kann. Da gehört der komplette neurologische Check und, wie wir schon gehört haben, auch mehrfache Untersuchungen dazu. Wenn es nun um die Behandlung geht, muss uns klar sein, man muss die Behandlung so lange fortsetzen, dass der Patient sich nicht rapid verschlechtert, solange natürlich keine Unverträglichkeit auftritt. Also das Behandlungsergebnis kann oft sehr individuell ausfallen und bedarf der Kontrolle. Das Rivastigmien ist auch für die Behandlung der mittelschweren Demenz ebenso wie bei Parkinson-Erkrankungen zugelassen. Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Durchfall, Kopfschmerzen sind Gott sei Dank meist vorübergehend. Aber es gilt es ernst zu nehmen. Und wenn der Patient zusätzlich zu seinem Krankheitsbild an einer Epilepsie, also einem Krampfleiden oder bestimmten Krankheiten des Herzens, der Lunge oder der Leber leidet, dann dürfen diese Echolinesterase-Hemmer nur mit ganz bestimmten Vorsichtsmaßnahmen eingesetzt werden. Also Sie sehen schon, auch das geht nicht ohne fachärztliche Betreuung, ohne unsere Allgemeinmediziner, die dafür sorgen, dass das Gesamtbild stimmt. Leider Gottes gibt es für Demenzen, deren Ursachen nicht Gefäße oder neurologische oder Parkinson-Probleme sind, noch keine spezifischen medikamentösen Therapien. Bei Durchblutungsstörungen kann man natürlich schon einige Dinge optimieren, aber da gehört eben auch genau hingeschaut. Und wenn jemand den Verdacht auf eine Demenzkrankheit hat, dann gehört er vom Kopf bis Fuß untersucht, vom Gefäßultraschall bis zum kompletten Labor und natürlich auch alle anderen radiologischen Diagnostiken müssen hier stattfinden. Sollte der Patient zusätzliche Probleme mit der Psyche oder verhaltensbezogenen Symptomen zeigen, dann muss man natürlich auch an den Einsatz vom Psychopharmaka denken. Auch hier ist es entscheidend, das Problem der Nebenwirkungen mit dem Problem der Wirkungen abzuwägen. Dass antidepressive Medikamente oft auch eine Schlafverbesserung zeigen, ist ja ganz unbestritten. Entscheidend ist, wie gesagt, dass wir eine enge Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten anstreben und uns Zeit für den Patienten nehmen. Das geht natürlich nur, wenn wir wirklich auch Zeit investieren. Eine halbe Stunde besuchen, davon 15 Minuten Torte essen, wird es halt leider Gottes nicht bringen. Und alles an die Pfleger abzuschieben und zu sagen, die machen das schon, wird es leider auch nicht bringen. Ich weiß, das klingt sehr kritisch, soll es auch sein. Zum Schluss möchte ich noch Therapien ohne Medikamenten als wichtigen Teil des Gesamtkonzeptes ansprechen. Das Ziel ist immer, den Betroffenen so lange wie möglich in seiner Selbstständigkeit und seiner Lebensfreude zu belassen. Ganz entscheidend, der Patient muss sich wohlfühlen, so gut es halt geht. Und klarerweise hilft dabei ein Gedächtnistraining. Klarerweise hilft es, wenn wir mit dem Patienten Spiele machen, Wortspiele, Puzzles, Bilder erkennen, was immer, Gruppenaktivität. Wir müssen die kognitiven Fähigkeiten, die Kommunikation erhalten. Auch gehört dazu körperliche und soziale Aktivierung, möglichst viele Bewegungen. Wir haben einen ganz entzückenden Verwandten, der über 85 ist und dem hat alleine das zur Verfügung stellen von einem kleinen Ergometer, das unter dem Tisch steht und wo er sicher in seinem Lehnstuhl sitzend mit den Beinen drei, viermal am Tag 10, 15 Minuten Bewegung macht. Das hat ihm bei seinen Bewegungsproblemen durch die Parkinson-Krankheit ganz massiv geholfen. Das gilt natürlich auch bei der Demenz. Also unbedingt auch körperliche Aktivitäten fördern. Emotionsorientierte Behandlungen wertschätzend. Eines der großen Probleme, dass wenn immer wir selbst überfordert sind, weil wir mit den Beschwerden unserer Angehörigen nicht mehr zurechtkommen, verlieren wir oft als erstes die Wertschätzung, die Geduld. Ich bitte Sie für die Patienten, nehmen Sie sich diese Geduld und helfen Sie durch Ihren liebevollen Umgang, dem Patienten stabil zu bleiben. Eine Erinnerungstherapie. Nehmen Sie die alten Fotoalben mit und schauen Sie sich gemeinsam die alten Bilder an. Weltweit wird eine Chancengleichheit gegen Demenz gefordert. Da gibt es auch Kommissionen aus weltweit führenden Demenzexperten. Entscheidend ist aber, dass wir uns im Klaren sind, dass die Bevölkerung altert. Und es ist unerlässlich, dass wir alle Maßnahmen ergreifen, von der Umweltbelastung, von der entsprechenden Luftverschmutzung bis zu Licht- und Lärmverschmutzung, um Menschen gesund ohne Demenzrisiko alt werden zu lassen. Es gibt eine kostenlose niederösterreichische Demenz-Hotline, erreichbar unter 0800 700 300, Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr. Es gibt ein wunderbares, kostlos erhältliches Buch über die Demenz, Diagnose, Hilfe, Alltag, die man über die oeag@studio12.co.at bekommen kann. Und ganz zum Schluss, vergessen Sie nicht, am 21. September, auch heuer, ist wieder Welt-Alzheimer-Tag. Vielen Dank für Ihre Geduld, bleiben Sie gesund und geben Sie Acht auch auf sich selbst. Music.