DOC on AIR - Erste Hilfe im Alltag

Notfallmedizin im Alltag

#07 - Sommerzeit ist Unfallzeit - vom Sonnenbrand bis zum Ertrinken

12.08.2023 22 min

Zusammenfassung & Show Notes

Was ist die häufigste Unfall- und leider auch Todesursache bei Kleinkindern und Kindern? Ertrinken und beinahe ertrinken. Was tun beim Sonnenstich? Warum vor dem Bad abkühlen? Wieviel und was trinken? Erste Hilfe und Selbstschutz beim Retten von Ertrinkenden.

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DOC-ON-AIR - Der Podcast für den Umgang mit medizinischen Notfällen im Alltag von Dr. Joachim Huber.

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#notfallmedizin #ersthilfe #teambuilding #alleswirdgut

Transkript

Music. Grüß Euch Gott! Ich habe auch heute wieder etwas Spannendes für euch mitgebracht. Und zwar geht es um das Thema "Sommerzeit, Hitze, Ertrinkungsunfall. Und letztlich auch das, wovor wir uns am meisten fürchten. Der Badetod." Endlich ist wieder Sommer. Endlich haben wir mehr als 30 Grad. Endlich beginnen die Freischwimmbäder wieder anziehend zu werden. Oder besser gesagt ausziehend, wenn man sich schon wieder trauen kann, die Beine und letztlich sich selbst ins Wasser zu werfen. Aber jetzt geht es darum: Wie machen wir das denn so, dass es uns auch hinterher gut geht? Der Badespaß birgt einfach ganz gewaltige Gefahren in sich. Warum? Ja, weil wir so ganz einfache Dinge, die uns schon Oma und Opa gesagt haben, wie wie klein waren: "Wenn du gegessen hast, dann musst du zuerst mal eine halbe Stunde warten und dann kannst du ins Wasser gehen." "Kühl dich doch vorher ab, bevor du ins Wasser hinein springst." "Wenn du in ein Wasser hineinspringst, gib acht, wo du hin springst." Weil manchmal sieht man gar nicht, dass keinen halben Meter unter dem Wasser irgendein ganz furchtbar gefährliches Stein oder Anker oder sonstiges Ding lauert, wo du dir ganz, ganz schwere Verletzungen zuziehen kannst. Also: geh nicht alkoholisiert schwimmen. Außer du bist irgendwo nur mit den Beinen in einem Bächlein drinnen. Lass Kinder nie aus dem Auge. Nie. Nie heißt 0,0 %. Wir gehen ins Detail. Wenn der Körper so richtig schön aufgeheizt ist, und obwohl uns die Hautärzte seit Jahren, Jahrzehnten predigen: " bitte nicht so viel Sonnenlicht auf die Haut. Es droht der schwarze Hautkrebs, das Melanom." Wir alle rösten uns. Denn nur wer braun ist, ist fesch. Da könnt man eigentlich auch mal drüber nachdenken, ob das wirklich so ist. Braun sein und dafür später an Hautkrebs leiden? Ich weiß nicht. Also, wenn wir jetzt so richtig aufgeheizt sind und hüpfen ins kalte Wasser, dann gibt es dem Körper einfach, ich sag's jetzt mal ganz volkstümlich, einen Tritt in den Hintern. Das heißt, das Alarmsystem meldet. "Bist du deppert? Das ist nass und kalt... !", und schon verengen sich die Atemwege, schon kommt es zu einer Adrenalinausschüttung. Schon kommt es dazu, dass der Blutdruck in die Höhe und nachher in die Tiefe hinunter rasselt. Es kommt zu einem beschleunigten Herzschlag und und, und. Und es kann so weit gehen, dass der Körper den Befehl gibt, sagt: "Stimmritze zumachen. Gefahr von Wassereinbruch, Stimmritze schließen!" Und dann kriegst plötzlich keine Luft mehr. Wir Großen, wir fangen dann meistens an zu zappeln, zu schreien, um uns zu schlagen, was es dem Ersthelfer, der nicht eine entsprechende Schwimmr etter-Prüfung absolviert hat oder zumindest das trainiert hat, dann so schwer macht, weil er selber gefährdet ist. Also einer der wichtigsten Tipps, wenn es dir im Wasser nicht gut geht: Versuche das, was du vorher geübt hast: Die tote Manstellung. Man legt sich auf den Rücken, atmet nur noch oberflächlich. "In dem Stress? Oberflächlich Atmen? Geh, Doktor! Was redest denn?" Ja, man muss es vorher üben. Bewegt die Hände und die Beine nur noch ganz wenig. Und die Luft, die in der Lunge ist, trägt den Körper auf dem Wasser. Das geht natürlich nicht, wenn meterhohe Wellen und Motor-, Motorboote um einen herum fetzen. Aber in einem Schwimmbad funktioniert das. Ganz anders ist das bei Kindern. Da genügen wenige Zentimeter Wasser und das Kind bekommt diesen Verschluss der Atemwege, wo die Stimmritze - zack - zumacht wie ein Schloss. Das Kind ertrinkt. Ganz, ganz leise. Das bemerkst du gar nicht, weil das nicht herum zappelt und auffällig plantscht. Es geht einfach lautlos unter. Daher, und da bin ich sehr gerne lästig und gehe sehr gerne auf die Nerven. Wenn wir mit Kindern baden gehen, wird ausgemacht: Wer schaut zuerst und der tut nichts anderes. Der geht es um die Wurst und der geht da nicht aufs Klo. Und wenn er geht, dann sagt er vorher: "Vorsicht, ich bin jetzt weg, übernimm du!" Und schaut ohne Unterbrechung aus einer Ersthelfer-Position am Beckenrand. Oder wenn es ein See ist direkt schon in Nähe der spielenden Kinder auf die Jungen. Sie ertrinken wirklich lautlos. Ich bitte euch, das ganz, ganz ernst zu nehmen. Also, wenn wir das zusammenfassen, der Erwachsene vor dem Sprung ins kühle Wasser langsam an die Wassertemperatur gewöhnen. Nicht überhitzt in ein - und es ist noch kalt - also ich sehe auch im Fernsehen immer wieder die Wassertemperaturen. Und hmm, da ist der Wolfgangsee mit glaube ich jetzt 17 Grad <b>noch </b>nicht so ganz das, was man gerne hat. Also, nicht überhitzt in kaltes Wasser springen. Und natürlich. Nicht mit mehr Alkohol als vielleicht einem Achtel Wein gespritzt. Das muss man schon auch klar sagen. Also sich vorher antschechern und dann schwimmen gehen<b> ist ein</b> Unsinn. Warum? Alkohol hemmt unter anderem die Zuckerfreisetzung in der Leber, und begünstigt damit auch eine Unterzuckerung. Und damit natürlich auch eine viel raschere Erschöpfung durch die Kälte und durch vielleicht noch Muskelkrämpfe. Wenn es nun beim Erwachsenen zu einem Badeunfall kommt, dann gilt wieder das alte Sprüchlein: Selbstschutz vor Fremdschutz. Also nicht ohne Schwimmhilfe. Oder eine zweite Person den Ertrinkenden versuchen zu bergen. Das schaut bei Baywatch immer so super toll aus, aber erinnert euch. Die haben auch immer zumindest irgendeinen Schwimmersatz mit, um den Menschen, also sicher retten zu können. Wenn die Person bewusstlos ist, mit der Wiederbelebung beginnen. Gar keine Frage. Nicht lang herum suchen, tun. Hilfe schreien. Notarzt alarmieren. Wiederbeleben. Diese Wiederbelebung werden wir in einem eigenen Thema ausführlich noch besprechen. Bei Kindern gilt, auch wenn sie nur wenig Wasser geschluckt haben, also eiegentlich wir sehr schnell als Ersthelfer dort sind: Sie müssen zum Arzt gebracht werden. Man muss die Lunge genau untersuchen. Sonst kann es zu einer zweitseitigen, gefährlichen Gesundheitsstörung kommen. Das heißt, das Kind spuckt vielleicht ein bisschen Wasser aus. Ah, jetzt ist eh alles in Ordnung. In Wirklichkeit ist aber noch Restwasser in der Lunge, das dann dazu führt, dass plötzlich die Atmung nicht mehr funktioniert. Wenn jemand normal atmet und eine Bewusstseinsstörung hat, rufen wir den Notruf 144 und bringen den Menschen in eine stabile Seitenlagerung. Entscheidend auch für das sogenannte Outcome, also dass der Patient gut überlebt, ist natürlich sein Wärmeerhalt. Also Wärmeverlust verhindern. Wenn ein Mensch, ein Ertrunkener, nur mehr eine Schnappatmung hat, also nicht wirklich atmet oder so atmet, dass man merkt, das hat mit Schaufen wirklich nichts mehr zu tun. Da ist vielleicht alle zwei Minuten einmal ein Huu-pfff und sonst nix, da müssen wir natürlich im Rahmen der Wiederbelebung auch mit der Beatmung einsteigen. Da haben wir uns jetzt darauf geeinigt, dass die Beatmung sekundär ist. Trotzdem: Bei Kindern ist sie überlebenswichtig. Also unsere kleinen Patienten müssen wir sofort mit fünf Beatmungen ins Leben zurück beatmen. Ganz ein wichtiger Punkt: Bei Kindern beginnen wir mit der Beatmung. Fünfmal beatmen und dann, wie ihr es kennt: 30 zu zwei - dreißigmal Herzdruckmassage und in weiterer Folge zweimal beatmen. Beim Erwachsenen beginnen wir mit der Herzdruckmassage 30 - zwei. Aber ebenfalls ganz wichtig. Wir müssen hier rechtzeitig die Notfallteams informieren, sonst geht da gar nix. Also Wiederbelebung mit Mut. Ihr könnt nichts falsch machen, das muss man ganz klar sagen. In unserem Podcast machen wir aber auch noch natürlich detaillierte Informationen zur Erste Hilfe. Was kam denn so in einem Bad noch passieren? Richtig: zu viel Sonne. Also ich habe es halt zu wenig berücksichtigt und jetzt habe ich eine - klingt auch so hübsch - Latein "Insolation". Nicht alleine sein, sondern die Sonne hat sich zu viel bei uns im Körper festgenagelt. Das führt dazum, n icht nur, dass es zu Entzündungen Verbrennungen kommt, sondern vor allen Dingen, wenn ich dann wenig getrunken habe, muss ich schon damit rechnen, dass mein Kreislauf nicht mehr stabil ist. Was tun wir mit jemandem, der so kurz vorm Hitzschlag ist? Weg aus der Sonne, möglichst rasch in den Schatten beengte Kleidung aufmachen. Kühle, nicht eiskalt, kühle Tücher auf die Beine, aufs Kopferl. Ohne Zutaten! Also nicht, fangts an da mit Franzbranntwein oder anderen Grauslichkeiten hier die Menschen zu belästigen. Normales Wasser. Trinken ist wichtig, aber trinken tut unser Patient nur dann, wenn er den Becher selber halten kann. Also wir flößen niemandem was ein, der eh schon immer gscheit bei Bewusstsein ist und sich dann vielleicht verschluckt und an unserer Therapie noch kränker wird dank unserer falschen Therapie. Auch hier ist Vorbeugen<b> gscheit.</b> Tragt eine gute Sonnenbrille. Vermeidet die Mittagshitze. Schauts auf die Uhr. Ich habe etliche kluge Patienten, die haben einen Eieruhr mit. Eieruhr, richtig gehört. Die schalten sie auf 15 Minuten und sagen, wenn ich 15 Minuten in der Sonne war, dann gehe ich in den Schatten. Da ist doch gar nichts dahinter. Und ich bin sicher, ihr macht das auch, weil ihr alle zusammen nicht irgendwo eure Haut kaputt machen wollt. Und glaubt es mir, wenn die mal beschädigt ist, so ein Sonnenbrand, das merkt sich die Haut. Das heißt, sie ist gleich viel sensibler. Auch auf andere Störungen bis hin auch zur Gürtelrose oder bis hin zu anderen entzündlichen Veränderungen. Also die Haut ist ein sehr kluges Organ und merkt sich das, wenn wir bös zu ihr sind. Was sind die ersten Warnsymptome, wenn ein Patient zu viel Hitze hat, zu viel Sonne abbekommen hat? Wisst ihr eh! Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, irgendwelche Krämpfe in Armen und Beinen. Erinnert euch. Das ist die Gefahr. Dann ins kalte Wasser springen, dann kannst du plötzlich nicht mehr schwimmen, weil die Krämpfe dich daran hindern. Natürlich letztlich auch Bewusstsein-Störungen. Natürlich, letztlich auch Ohnmacht. Also. Ganz entscheidend langsam herunterkühlen und trinken, aber nur, wenns selber geht. Also noch einmal ganz entscheidend auch Wasser trinken, nicht Cola und sonstiges Zeug. Auch wenn das jetzt vielleicht kontraproduktiv ist. Ich habe nichts gegen die anderen Getränke, aber im Notfall ist Wasser und zwar ohne Kugerl, das einzig gscheite. Und gebts nicht irgendwelche Pulvechen und sonst was hinein. Ja, bitte macht euch schlau. Und wenn ihr wissen wollt, wie kann man denn so einen Kindernotfall, eine Kinder-Wiederbelebung machen? Dann geht doch bitte zum Beispiel zum Roten Kreuz, zu den Maltesern, Arbeiter Samariter Bund zur nächsten Rettungsstelle, Feuerwehr überall werden entsprechende Notfallkurse angeboten. Nun, noch ein Wort zu dem ganz Schlimmen, was passieren kann Der sogenannte Badetod. Als Badetod bezeichnet man alle die Ereignisse, die, wie ich vorher schon gesagt habe, meistens durch Schutzreflexe, eine Schock-Reaktion auslösen, die eine Lebensgefahr darstellen. Und beim Ertrinkungsunfall, also wenn jemand wirklich unter Wasser ertrunken ist, indem er das Wasser in die Lunge bekommen hat, dann sprechen wir, wenn er das 24 Stunden überlebt, vom beinahe ertrinken. Auch hier kann man einfach immer wieder nur sagen: Vorbeugen ist besser als hinterher wochenlange Probleme haben. Also diese Schockreaktionen, die dabei ausgelöst werden, gilt es unter allen Umständen zu verhindern. Und oft ist es eben so, dass Personen, die ertrinken, gar nicht schwimmen können. Jetzt fragt man sich natürlich: Wieso geht denn der, Gott behüte, ins tiefe Wasser? Weil er nicht dran gedacht hat. Oder weil das Bad so konstruiert ist, dass plötzlich oder der See, das Wasser, so eine Geographie, dass es plötzlich bergab geht. Und nicht schwimmen ist natürlich ein Wahnsinnsproblem, weil durch die Stramplerei noch schneller ein Kampf entsteht. Und wie gesagt, bei den Kindern, ich wiederhol das ungern, aber ich muss es noch einmal sagen. Bei den Kindern geht es lautlos ab. Die bemerkst du erst, wenn sie nicht mehr auf der Wasseroberfläche sind. Was ist die Todesursache, die bei so einem Unfall letztlich schlagend wird? Nun natürlich der Sauerstoffmangel und letztlich natürlich die Notfallkette, die überschießend stattfindet, wo es bis zum Herzstillstand kommen kann. Besonders bei Kindern ist durch Sauerstoffnot wie beim Ertrinken ein Herz Kreislauf- Stillstand sehr, sehr rasch zu erwarten. Bei Erwachsenen ist es meist eher Kammerflimmern, das heißt, das Herz beginnt komplett aus dem Rhythmus zu kommen. Und deswegen sind auch in allen Schwimmbädern heute Defibrillatoren, die dort dann eben zum Einsatz kommen im Rahmen der erste Hilfeleistung. Einen Punkt möchte ich noch erwähnen Für alle, die in ihrer Familie jemanden haben, der eine Epilepsie hat, also der an einer Hirnstörung leidet, wo plötzlich ein anfallsartiges, völlig unkoordinierte Verkrampfen aller einzelner Körper Muskeln entsteht, verbunden mit Bewusstlosigkeit. Wenn diese Menschen gut eingestellt sind und das sind sie heute dank unserer wunderbaren Allgemeinmediziner, Fachärzten, Ambulanzen, dann können die natürlich schwimmen gehen. Das ist ja überhaupt keine Frage. Auch Herz Kreislaufkranke Menschen. Ein gut eingestellter Blutdruck, ein überstandener Herzinfarkt, alle Krankheiten, die den Menschen wieder geradeaus gehen lassen, wo er 50 Meter gehen kann, ohne dass er mit der Luft rauft, d er darf natürlich auch schwimmen gehen, keine Frage. Wir wollen uns aber trotzdem dran zurückerinnern, dass jährlich auch bei uns in Österreich etliche Menschen versterben. In Deutschland sind es fast 300. Bei uns kannst du immer sagen ungefähr 10 % davon. Also bei uns sterben jährlich 30 Menschen beim Versuch, baden zu gehen. Das wäre nicht notwendig. Und da appelliere ich ganz zum Schluss noch an euch: Habt Zivilcourage, wenn ihr so einen Brathering seht, der jetzt voll angebrutzelt mit roter Haut und einem Kopf, wo man schon weiss, der Blutdruck kann nimmer gut sein, Richtung Wasser gehen sehts, rufts ihm doch zu: "Entschuldigen Sie, aber möchten Sie nicht zuerst ein bisschen vorsichtig unter der Dusche abkühlen? Das Wasser, egal Donau oder wo immer ist doch noch so kalt. Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?" Klar kann es euch passieren, dass euch einer blöde anredet und sagt "Heast Oida, geh Sch ..." Natürlich kann das passieren. Nehmt es mit Gelassenheit. Aber dass wir ein bissl aufeinander schauen, das kann also nie schaden. Danke fürs Zuhören. Ciao! Music.