DOC on AIR - Erste Hilfe im Alltag

Notfallmedizin im Alltag

#06 - Die Geschichte der Notfallmedizin kurz erzählt

29.07.2023 15 min

Zusammenfassung & Show Notes

Von den Anfängen der Schädeloperationen, Amputationen, vom Bader zum Feldscher, von der Kriegsmedizin bis zum modernen Rettungswesen. Immer waren es Pioniere, die teils mit ungewöhnlichen Methoden versucht haben Leben zu retten oder zumindest Lebensqualität zu erhalten. 

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DOC-ON-AIR - Der Podcast für den Umgang mit medizinischen Notfällen im Alltag von Dr. Joachim Huber.

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#notfallmedizin #ersthilfe #teambuilding #alleswirdgut

Transkript

Music. Gott, jetzt habe ich ein sehr spannendes Thema. Und zwar Geschichte. Geschichte der Notfallmedizin. Jetzt werdet ihr sagen: "Jetzt aber wird er anstrengend, der Huber-Doktor." Ich glaube nicht. Ich glaube, dass das ganz eine tolle Geschichte ist. Ein lieber Freund hat immer zu mir gesagt "Bader, wie geht's dir denn?" Ein Psychologe übrigens, der mit mir sehr viele wunderbare Dinge in der Luftfahrt- Medizin, Luftfahrt-Psychologie gemacht hat. "Bader. Wie geht's dir?" Wo kommt der Name Bader her? Seit dem elfte Jahrhundert - dort war das nämlich ein mittelalterlicher Berufsstand - der Besitzer eines Bades, der auch Heilbehandlungen machen durfte. Aderlass, Schröpfen, irgendwelche Wunden behandeln, Tteilweise gar nicht so zimperlich mit Ausbrennen, Ausschneiden. Und er war auch Friseur. Er ist<b>,</b> er war auch der Bartschneider. Woher kommt das Ganze? Aus dem "Badere", angelsächsischen "Baueri: Inhaber einer Badestube." In weiterer Folge ist dann Ende des 15. Jahrhunderts aus diesem Bader, der ursprünglich, wie gesagt, für das körperliche und hygienische, bessere Befinden gesorgt hat, wurde dann ein Feldscher, ein Heeres-Wundarzt. Wörtlich ein Bartscherer im Feld. Bei den damaligen durchaus üblichen unvorstellbaren Kriegen - man denke nur an den 30-jährigen Krieg - war es ja doch wichtig, dass die Leute, die Soldaten versorgt wurden. Ja, es ist richtig, es gab Feldküche und es gab auch nette Damen, die bereit waren, ihre Dienste anzubieten. Aber wenn der Bart dann so gezwickt hat, dann hat man schon einen gebraucht, der einem jetzt sehr schnell die Haare schneidet oder auch eben den Bart schert. Und wenn man verwundet war, war man sehr froh, wenn man jemanden hatte, der einem geholfen hat. Sehr interessant - Das war damals schon 1734 eine 3-jährige Lehrzeit - das heißt, die mussten nicht nur "Wie rasiere ich?" lernen oder "Wie kann ich eine angewachsene Wimper behandeln?", sondern die mussten auch lernen und üben, wie man Kugeln herauszieht. Bitte nicht wundern: Diese ausgebildeten Bader haben auch Amputationen vorgenommen. Das heißt, sie waren durchaus imstande, eine entsprechende Wundversorgung wahrzunehmen. Das Entscheidende war, dass schon 1787, also sehr früh, eine Feststellung erfolgte, wer hat denn eine Chance zu überleben und wer nicht. Und wenn ihr euch jetzt die tausenden Schwerstverletzten vorstellt, dann ist klar: Es gibt auch heute noch kein medizinisches System, das mit diesen Menschenmengen, mit diesen Mengen an Kranken, Verletzten, zurechtkommt. Das heißt, man muss - der Begriff lautet Triage - man muss also feststellen, wer hat welche Verletzung und wer hat eine mit welchem Schweregrad am ehesten eine Überlebenschance. Und auch da wurden diese sozusagenderweise Ersthelfer ausgebildet. Ich sage jetzt nur eine Zahl noch, weil sie für mich so furchtbar ist und mich auch an die heutigen Kriege Ukraine, Russland, aber auch im arabischen asiatischen Raum erinnern: 1792 bis 1815 haben 4,5 Millionen französische Soldaten in den napoleonischen Kriegen sozusagenderweise ihrem Feldherrn gehorcht. Mehr als zweieinhalb Millionen starben, davon circa 150.000 Mann auf dem Feld. Der Rest ist an Infektionen, Seuchen an den Folgen auch solcher Amputationen verstorben. Und da gab es bereits einen ganz wunderbaren Kriegschirurgen, den Dominique Jean Larrey, der 1812 schon festgestellt hat: "Wir müssen die Ersthelfer zum Patienten bringen." Bis dahin hat man die Patienten auf Pferdewagen geladen und hat sie einfach ins nächste Lazarett chauffiert, rumpeldipumpel über das Schlachtfeld hinweg. Natürlich hat das kaum jemand überlebt. Und Jean Larrey war derjenige, der diese fliegenden Ambulanzen eingeführt hat. Der Sanitäter und Bader zu den Verwundeten geschickt hat, der erkannt hat, wenn man Blutungen nicht rasch stillt, dann verbluten die Menschen, der also Notverbände und aber selber auch Amputationen vorgenommen hat - direkt am Schlachtfeld. Das klingt furchtbar barbarisch. Aber die Leute haben damit tatsächlich überlebt. Wie dann die Lebensqualität war, das wollen wir uns gar nicht vorstellen. Es gab weder eine Sozialversicherung, noch gab es irgendeine entsprechende Versorgung mit guten, sozusage<b>derweise</b> Gelenks- oder Körperersatzteilen. Ich selber erinnere mich noch, wie ich ein kleines Kind war und aus dem Zweiten Weltkrieg viele Menschen mit einem Besenstiel statt einem Unterschenkel versorgt zurückkamen aus dem Krieg. Wie kamen die Menschen denn überhaupt zu einer solchen Hilfe? Stellt euch vor, während der napoleonischen Kriege hat es 40 Stunden gedauert, bis eine halbwegs Hilfe vorhanden war. Ich erwähne es noch einmal - die Leute wurden in Pferdekarren, die eigentlich für Getreide oder sonst was vorgesehen waren, dann entsprechend aus dem Schlachtfeld gebracht. Die Sterberate lag bei fast 50 %. Im ersten Weltkrieg waren es immer noch 12 bis 18 Stunden, wie man so sagt "Therapiefreies Intervall", wo man also keine Hilfe hatte. Und die Sterblichkeit war unter 10 %. Im Zweiten Weltkrieg waren es noch 6 bis 12 Stunden und die Sterblichkeit war bei 2,4 %. Letztlich im Vietnamkrieg war die Versorgung so, dass nur mehr eine Stunde therapie freies Intervall war und die Letalität, also die Sterbehäufigkeit unter 2 % lag. Das kann man natürlich alles nachlesen. Gibt es einen ganz großartigen Autor, der also sich damit beschäftigt hat. Dirk Oldenburg. Beziehungsweise Michael Toursarkissian, das sind die beiden, die diese Publikationen herausgeben. Kann man nachlesen. Jederzeit. Also in weiterer Folge waren die Krankentransporte dann schon modernerer Art. Das heißt, da gab es dann schon eigene, gepanzerte Fahrzeuge, die mit acht Rädern ausgerüstet auch durch unwegsamen Gelände gekommen sind. Und die modernen Bergepanzer, die wir heute haben, sind also durchaus auch schon mit Behandlungsplätzen versehen. Trotzdem: Niemand von uns will das gegen ein gutes Rettungsauto, von welcher Rettungsorganisation immer, austauschen. Ja, und wenn wir von diesen hässlichen Dingen reden, da kommen wir jetzt mit unseren Maltesern sozusagen aufs Tapet. Der Malteser Hilfsdienst, ein Hilfswerk des Malteser Ritterordens, wurde begründet, als im Oktober, November 1956 über 200.000 Flüchtlinge nach dem ungarischen Volksaufstand nach Österreich gekommen sind. Damals haben sich einige irklich ganz, ganz coole Socken, würde man heute sagen, Damen und Herren zusammengetan, haben gesagt "Wir müssen den Flüchtlingen helfen." Das ist das, was unse Österreicher auch heute noch auszeichnet. Wenn ihr nur denkt an unsere Weihnachtsspende-Organisation. Wir sind diejenigen, die wirklich, wenn irgendwo Leid ist, helfen. Und die Malteser - ein Ritterorden, den es seit dem Jahr 1113 gibt - dieser Malteserorden hat eben mit einigen hilfsbereiten Damen, das waren vielleicht 20, 30 und Herren, hat also diesen Malteser Hilfsdienst gegründet, der mittlerweile auf der ganzen Welt einige 10.000 Mitglieder hat und sich um die Verletzten und auch Menschen mit besonderen Bedürfnissen kümmert. Ja, bei der Geschichte der Notfallmedizin muss man natürlich sagen: Nach dem - ihr habt das sicher auch noch in Erinnerung - furchtbarem Brand in der Oper wurde dann ein richtiger Rettungsdienst in Wien implementiert, und die Malteser sind seit 1956 mit der Wiener Rettung gemeinsam unterwegs. Ein kleines Wort noch: Als meine ursprünglichste Erstausbildung war, zum Fliegerarzt, bereits 1946 wurde mit einem ganz speziellen Fluggerät, dem Fiseler Storch, ein Mensch von einem Gletscher gerettet. Seit 87 gibt es eine standardisierte Notarztausbildung in Österreich. Und nunmehr wurde diese Ausbildung auch verbessert. Das heißt, jeder Notfallsanitäter, jeder Notarzt muss eine ganz, ganz genau definierte Ausbildung, samt dazugehöriger Wiederholung und Training absolvieren. Und dann darf er auf die Menschen losgelassen werden. Wenn wir also die Geschichte der Notfallmedizin ein bisschen Revue passieren lassen, dann können wir sagen: Nunmehr haben wir in Österreich circa 4000 Notärzte, 1/3 Frauen, 2/3 Männer. Die meisten sind aus der Intensivmedizin oder Allgemeinmedizin. Der kleinere Prozentsatz Innere Medizin und Chirurgen. Nun? Was müssen die alles können? Da gibt es eigene Organisationen, die nichts anderes tun, als diese notfallmedizinischen Grundvoraussetzungen ganz genau vorzugeben. Das heißt, wenn ihr einen Notarzt. eine Notärztin ruft, ann könnt ihr sicher sein, dass das Menschen sind, die ihr Fach verstehen. Dass es auch bei uns Ärzten die ganz tollen und die vielleicht ein bisschen weniger Tollen gibt - das brauche ich euch nicht zu erzählen. Das ist nun mal so, aber im Prinzip sind wir da wirklich sehr gut aufgestellt. Und was mich besonders stolz macht, sind unsere jungen Notfallsanitäter und Sanitäter. Ich darf sie immer wieder rezertifizieren und prüfen. Die mit einem unglaublichen Fleiß und Engagement ihre Nachtdienste, Tagdienste machen. Die bei den verschiedensten Events, egal ob es die Regenbogenparade ist oder das Donauinselfest oder irgendwo am Land ein Feuerwehrfest, immer gerne und kompetent gemeinsam im Team mit den Feuerwehrspezialisten, den Polizisten für unsere Sicherheit und unser Wohlbefinden sorgen. Daher - klingt kitschig, ist aber ernst gemeint: Ein ganz, ganz großes Dankeschön. Und weiter so! Music.