DOC on AIR - Erste Hilfe im Alltag

Notfallmedizin im Alltag

#04 - Rechtsgrundlagen bei der Ersten Hilfe

01.07.2023 14 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wie oft haben wir schon im Zorn gerufen: "Also, alles was Recht ist!"

Und genau darum geht es in dieser Folge. Es gibt einige wenige aber umso wichtigere Rechtsvorschriften zu beachten bei der Ersten Hilfe-Leistung. Der wichtigste Grundsatz lautet: "Wir alle sind zur Ersten Hilfe-Leistung verpflichtet. Egal ob in Österreich, Europa oder sonst wo in der Welt." Das heisst aber nicht, dass wir irgendwelche - vielleicht in einem Fernsehfilm gesehenen, verrückte Eingriffe wie zum Beispiel den Luftröhrenschnitt - am Patienten ausprobieren dürfen. 

Immer dran denken: "keep it simple" bedeutet soviel wie Basic Life Support, also ganz einfache lebenserhaltende Massnahmen wie stabile Seitenlagerung, Herzdruckmassage oder Beatmung.

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DOC-ON-AIR - Der Podcast für den Umgang mit medizinischen Notfällen im Alltag von Dr. Joachim Huber.

Weitere Informationen auf doc-on-air.com

Das Gesicht zur Stimme unter www.drjoachimhuber.at

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#notfallmedizin #ersthilfe #teambuilding #alleswirdgut

Transkript

Music. Grüß Gott. Hier ist wieder Air-Doc. Ich darf euch diesmal ein aus meiner Sicht ganz spannendes Thema bringen: Rechtsfragen. Nicht fragen, ob rechts oder links von der Straße, sondern juristische Fragen, Fakten und Tipps. Immer wieder unter dem Übertitel Wissen statt Angst. Was sind denn so die rechtlichen Grundlagen, die uns der Gesetzgeber vorgibt? Und jetzt nicht böse sein. Es kommt das Wort Paragraph und es kommt das Wort Strafgesetzbuch. Warum bringe ich das? Weil diese sogenannten Gesetze des Strafgesetzbuches euch, wenn ihr sie nicht befolgt, ganz gewaltigen Ärger machen. Woher ich das weiß? Na, ein bisserl darf ich mitreden, weil ich seit vielen, vielen Jahrzehnten gerichtlich beeideter Sachverständiger bin und auch im Jahr doch einige - ann ich ruhig sagen - hunderte Gutachten mache und damit immer wieder bei Gerichtsverhandlungen auch selber anwesend bin. Also rechtliche Grundlagen dienen, dass alles seine Ordnung hat. Und da gibt es eben den Paragrapg 94 Strafgesetzbuch, der da sagt "Im Stich lassen eines Verletzten." Das bedeutet, wenn ihr erkennt, dass hier jemand Erste Hilfe braucht - und das ist jetzt ganz egal, ob das nur ein bisschen auf die Seite legen, weil der Mensch sonst auf dem Rücken liegend erstickt oder Rettung rufen oder guten Zuspruch machen und verhindern, dass dieser Verletzte jetzt so unterkühlt, dass er daraus eine weiteren Gesundheitsschaden hat. Alles Dinge, die Euch euer Hausverstand sowieso sagt. Jeder von uns hilft ja, wenn er irgendwo was sieht. Und wenn wir nicht helfen, dann ist es fast immer deshalb, weil wir Angst haben, was falsch zu machen. Ihr mach<b>t</b> nichts falsch. Kann ich euch hundertprozentig garantieren. Wenn wir da aber jetzt wirklich nichts tun, dann ist das unterlassene Hilfeleistung. Also im Stich lassen eines Verletzten und unterlassene Hilfeleistung. Wenn wir nach diesen Paragraphen als schuldig verurteilt werden, dann hat das ganz furchtbare Folgen. Die gehen bis hin, dass eure Bank plötzlich sagt, sie haben keine Bonität mehr, zahlen sie alles, was wir ihnen an Krediten gewährt haben, zurück. Bausparvertrag futsch, weil ihr habt keine Kreditwürdigkeit mehr. Führerschein wird überprüft, ob ihr überhaupt noch imstande seid, mit einem Auto fahren zu dürfen, weil ihr nicht mehr verlässlich seid. Also denkt dran, das sind schon Sachen, die ganz gewaltige Folgen haben. Es gibt aber nicht nur die strafgesetzlichen Folgen, sondern auch die Folgen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. Keine Sorge, ich halte keine Rechtsvorlesung. Dieses allgemein bürgerliche Gesetzbuch sagt zum Beispiel Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst oder zu einem Gewerbe oder Handwerk öffentlich bekennt, gibt damit auch zu erkennen, dass er sich des notwendigen Fleißes bemüht hat, dass er die Basics beherrscht und nicht grobe Fehler macht. Also wenn ich mit der Fahne winke und sage, ich bin ein ganz berühmter Ersthelfer, und dann weiß ich nicht einmal, wie ich einen Patienten in die stabile Seitenlage<b>rung</b> bringe oder behaupte dann, wenn was passiert ist "Ich hab mich nicht erinnert." Ganz blöde Geschichte. Also auch da müssen wir Obacht geben, wenn wir nach außen hin kundtun, was wir alles können, dass wir da nicht in einen Konflikt kommen. Das trifft euch als Laienzuhörer nicht. Ich rate trotzdem dazu, dass ihr eine Dokumentation macht. Dokumentationspflicht betrifft an und für sich die Sanitäter und Ärzte. Aber ich weiß aus vielen, vielen Gerichtsverhandlungen: Wer schreibt, der bleibt. Also alles, was ich aufgeschrieben habe und nicht mehr verändere. Also so nach zwei Tagen Überlegung, uh, da hab ich mich nicht schön genug dargestellt. Da pfuschich a bisserl herum ist blöd. Aber alles, was ich als Gedächtnisprotokoll aufschreibe, hilft mir. Wenn 3, 4, 5, 6 Monate später vielleicht irgendeine Fragestellung sich ergibt oder Gott behüte eine Verhandlung oder sonstiges stattfinden. Also Dokumentationspflicht, glaube ich, ist für jeden von uns was Gescheites, weil wir damit uns absichern und nichts falsch machen. Das sind also jetzt so die Erstparagraphen, aber es gibt natürlich auch hochinteressante Paragraphen, ie ich euch sagen will. Nämlich. "Was tut man denn sozusagenderweise, wen man erste Hilfe leistet und jetzt hab ich vielleicht irgendwas falsch gemacht?" Und da kann ich euch beruhigen. Es ist gar keine Diskussion, dass der Gesetzgeber hier auf unserer Seite steht. Es gibt da so einen Spruch, auch ein Paragraph vom Strafgesetzbuch, Paragraph zehn, der entschuldigte Notstand. Da hat man ein Keyword, dass ein bisschen gefährlich ist. Not kennt kein Gebot. Natürlich kennt jede Not auch ein Gebot. Und das haben wir alle schon gelernt. Also der Zweck heiligt die Mittel ist keine gute Entscheidung. Trotzdem steht dieser Paragraph uns zur Seite, wenn wir eine Tat begehen, die eigentlich mit Strafe bedroht wäre, die aber dazu dient, dass ein bedeutender Nachteil für einen anderen abgewendet werden kann. Also wenn wir ich sage das jetzt nicht als Herausforderung, wir fahren jetzt alle ohne Blaulicht mit Vollgas und 150 durch die Rettungsgasse. Der wird euch, as wird nicht gut ausgehen. Aber wenn ich als Ersthelfer ausgebildet bin und sehe, da ist ein Unfall und fahr die letzten Meter auf der Rettungsgasse, um dort dann entsprechend helfen zu können, dann ist das sicherlich ein unverhältnismäßig geringerer, kleinerer Schaden, wo ihr damit rechnen könnt, dass ihr nicht zur bösen Verantwortung gezogen werdet. Also, Not kennt kein Gebot, heißt also, dass ich imstande bin, eine Hilfestellung zu geben, die sozusagenderweise nicht ganz, im Rahmen des Vorgesehenen abläuft. Klar, es gibt ganz große Rechtsunsicherheit. Und soll ich noch? Und darf ich noch? Und eigentlich ist das nicht meine Baustelle. Denkt daran. Hilfe muss ein ganz selbstverständlicher, ganz selbstverständlicher Konsens sein. Warum? Wenn du nicht hilfst, rennst du dein Leben lang mit dieser Schuld durch die Gegend. Sehr interessant ist, dass das in Amerika dazu geführt hat, diese Angst vor irgendwelchen Schadensforderungen, dass kein Mensch mehr geholfen hat. Die Leute sind auf der Straße zusammengebrochen. Die Menschen haben einen Bogen rundherum gemacht. Hinter meiner, vorder meiner, links rechts gilt es nicht. Und haben sich nichts gepfiffen, aus Angst, dass sie irgendwelche Millionenklagen haben. Heute ist diese o genannte "persönliche Freiheit" gar nicht mehr notwendig. Jeder Laienhelfer wird vor Klagen des Opfers geschützt und zur Ersten Hilfe ermutigt. Das ist gesetzlich heute auch im asiatischen Raum. Also auch wenn ich auf Urlaub in China oder in anderen arabischen Räumen seid. Unterlassene Hilfeleistung wird Euch auf den Kopf fallen. Wenn Ihr Basic Life Support machts, also ganz einfach Erste Hilfe leistet, dann habt ihr die Sicherheit, dass ihr vom Staat her geschützt seid und niemand euch sozusagenderweise hinterher verklagen wird und euch niemand ans, aufs Feld geht. Also diese so genannte Enthaftung, die passiert übrigens auch in Flugzeugen. Wiederholen wir. Jeder mündige europäische Bürger ist nach unserer Rechtslage für eine zumutbare und eigenverantwortliche Mitwirkungspflicht verantwortbar. Jeder mündige europäische Bürger ist zu Erste Hilfeleistung verpflichtet. Das ist nicht: "Ich könnte vielleicht eigentlich." Nein, das müssen wir tun. Ganz wichtig. Klarerweise habt ihr auch in der Familie, im Freundeskreis eine gewisse Aufklärungspflicht. Wenn ich erkenne, da ist jemand, der sollte jetzt nicht ins Flugzeug einsteigen, will der hustet und spuckt jetzt so und kriegt keine Luft, dann sollte ich auf den zugehen und sagen: "Ich glaube, es ist wichtig, dass Sie jetzt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen." Auf jedem Flugplatz gibt es ein entsprechendes Medical Center. Ich darf Sie dorthin begleiten, aber so sollten Sie wirklich nicht fliegen. Wenn der sagt "LMA" oder eine andere Unhübschheit, dann machs ein kleines Gedächtnisprotokoll und fertig ist die Lauge. Ja, denkt es mir daran. Alles, was ihr aufgeschrieben hat, auch eine solche entsprechende Aufklärung, ist für Euch wichtig. Ganz entscheidend an die lieben Kollegen darf ich noch sagen: Nie ein Gefälligkeitsgutachten machen. Ich bin zu erschöpft und ich bin schon müde und möchte eigentlich schon heimgehen. Wird schon gut gehen. Sage ich ahlt, er soll fliegen oder er soll die Reise machen. Das ist keine gute Idee und führt mit Sicherheit dazu, dass Probleme weiter entstehen. So viel zu den wichtigsten Paragraphen. Entscheidend ist natürlich auch, dass ich mir im Klaren bin, einmal einen Erste Hilfe Kurs besucht haben. Mein Führerschein habe ich gemacht 1964. Also 1964 - 24 (Jahre) Upps - ganz eine hübsche Zeit, nicht? Und dann nie mehr irgendeine Auffrischung. Ist natürlich auch nicht unbedingt optimal, und macht bei einer entsprechenden Bevorworfung keinen guten Fuß. Alle in Österreich ansässigen Hilfsorganisationen, wurscht ob Grünes, Rotes Kreuz, Samariter Bund, Johanniter, Malteser, aber auch die Wiener Rettung, die Feuerwehren alle bieten Erste Hilfe Auffrischungskurse an! Ihr müsst nur hingehen und machen. Auch das ist ein Teil der sogenannten Mitwirkungspflicht. Auch das wird im Zweifelsfall euch die Spreu vom Weizen unterscheiden lassen. Also Teamwork. Gemeinsam lästig sein und fragen. Und natürlich das Wissen auch immer wieder auffrischen. Jetzt habe ich euch mit Recht gequält. Jetzt habt eine Pause verdient. <b>Pfiat Euch!</b> Music.